Die Hauptdarsteller Rosalie Thomas ("Alex") und US-Schauspieler Peter Dinklage ("Marc") in Hamburg. Foto: Sybill Schneider

Exklusiv: „Taxi“ feiert Premiere in Köln

Karen Duves preisgekrönter Roman „Taxi“ wurde von Regisseurin Kerstin Ahlrichs auf die Leinwand gebracht und feierte am 13. März im Rahmen der lit.COLOGNE seine Premiere. Unterstützung gab es u.a. von Film und Medien NRW und der Deutschen Filmförderung. Der Film kommt am 20. August 2015 in die deutschen Kultur- und Programmkinos. Wir waren bei der Premiere und haben uns den Film für Euch angeschaut.

Als Karen Duve ihren Roman „Taxi“ 2008 veröffentliche, rechnete sie gewiss nicht mit einer eventuellen Verfilmung. Und doch habe sie es geahnt, verriet die Schriftstellerin im Gespräch nach der Filmvorführung. Sie und Regisseurin Kerstin Ahlrichs sind langjährige Freundinnen, und haben bereits während Duve erst den halben Roman fertig hatte über eine spätere Verfilmung nachgedacht. Während des Gesprächs spürt man die Sympathie und freundschaftliche Verbundenheit zwischen Regisseurin Ahlrichs und der Autorin Karen Duve, der man die Freude an der für sie erstmaligen Erfahrung der Adaption des eigenen Romans in ein Drehbuch sichtlich anmerkt. Duve, die selbst 13 Jahre lang Taxi in Hamburg fuhr nachdem sie eine Ausbildung zur Steuerinspektorin abgebrochen hatte, erzählt in ihrem teils autobiografischen Roman von immer wieder begonnenen, aber nie abgeschlossenen Episoden und Fahrgastgeschichten einer jungen Frau, die sich als Taxifahrerin in einer absoluten Männerdomäne im Hamburg der späten achtziger Jahre emanzipiert. Der Film ist eine Hommage an das literarisch scheinbar reiche Leben des Taxifahrens.

Man steigt sehr schnell in das Leben der Hauptfigur Alex(andra) als Taxifahrerin ein, er beleuchtet weniger ihr Leben davor, sondern setzt gleich in ihrer Rolle als neue Taxifahrerin im Unternehmen „Mergolan“ an. Alex, gespielt von Rosalie Thomass, Mitte zwanzig, blond, keck, hübsch, nicht auf den Kopf gefallen, aber auch nicht sonderlich clever, weiß nichts mit ihrem Leben anzufangen, wie so viele ihrer Generation in dieser Zeit. Alex ist ein ziel- und orientierungsloser Charakter; sie fährt im Taxi vor ihrem eigenen Leben davon, aber bringt sie das wirklich weiter als nur bis zum nächsten Fahrtgast und damit zum nächsten unvollendeten Abschnitt ihres Lebens?

Sodann findet auch die Vorstellung von Alex’ neuen Kollegen rasch Einzug ins Filmgeschehen: da wäre natürlich zuerst der Iraner Mergolan, Alex’ Chef. Er stellt sie ein ohne große Fragen zu stellen. Später hat er Probleme mit seiner Frau und das Unternehmen könnte auch besser laufen. Diese Verkettung löst bei ihm eine Änderung seines Verhältnisses zu Alex aus, das für Alex noch zum Problem wird. Dann wäre da noch der dickliche, verweichlichte Angeber im Karohemd, der sich immer damit brüstet, Model durch die Gegend zu fahren. Er wird kontaktiert von einem schmierigen Intellektuellen mit Schildpatt-Brille und leicht blondem Oberlippenbart, der jedem ohne zu fragen seine extreme humanistische Weltanschauung aufdrückt, die auch sehr verletzend sein kann, wenn sie als Kritik gemeint ist. Das führt dazu, dass man als Zuschauer wenig bis gar keine Sympathie für diesen schrägen Charakter aufbaut.

Ein weiterer interessanter und wichtiger Charakter ist Dietrich. Er ist Künstler und Freigeist und malt neben seinem Taxifahrer-Job leidenschaftlich gern und mitunter auch sehr gute Bilder. Er verschafft der neuen Fahrerin Alex eine Wohnung bei sich im Haus, und die beiden gehen eine Beziehung ein, obwohl Alex „gar nicht so der Typ für Beziehungen“ ist, wie sie immer wieder betont. Dietrich meint es ernst mit Alex. Als ihre Beziehung aufgrund eines Missverständnisses, in dem Alex’ Chef Mergolan eine Rolle spielt, zerbricht, verschwindet Dietrich eigentlich auch aus dem Filmgeschehen. Man sieht, dass die Regisseurin es hier gut geschafft, hat durch Dietrichs Verschwinden auf der Leinwand auch sein Austreten aus Alex’ Leben zu unterstreichen.

Eine Person spielt zwar den gesamten Film über eine nicht unwesentliche Rolle, tritt aber nie in Erscheinung: die Taxifunkerin in der Zentrale. Im Film nimmt man sie lediglich an ihrer atmosphärisch passenden tief verrauchten Stimme wahr, denn im Film wird immer und in jeder Situation geraucht und die Leinwand vollbenebelt, was das Zeug hält. Gib’ ihm saures! Wer ein geübtes Ohr hat und die rauchige Stimme herausfiltert wird feststellen, dass sie niemand geringerem gehört als Mechthild Großmann, bekannt durch ihre Rolle als Staatsanwältin Wilhelmine Klemm im Tatort Münster mit Axel Prahl und Jan-Josef Liefers. Ihre Stimme ist wie geschaffen für den Taxifunk! Zu guter letzt wäre da natürlich noch Marc, ein alter Schulfreund von Alex, den sie zufällig auf einer Fahrt nach langer Zeit wieder trifft. Gespielt wird Marc von US-Star Peter Dinklage, u.a. bekannt als Tyrion Lannister von Game of Thrones. Alex geht mit ihm eine heimliche Liebesaffäre ein, es geht nur um oberflächlichen und gefühlslosen Sex, um Alex ein wenig den Alltagsstress zu nehmen. Die Bezieheng zwischen den beiden ist eine Zeit lang ziemlich ungewöhnlich, da man nicht weiß, wo man sie einordnen soll, doch nach einer gewissen Zeit, in der sich beide gegenseitig ihr Innerstes zeigen, wird dem Zuschauer die unaufhebbare Gegensätzlichkeit dieses Duos bewusst. Alex will nicht wirklich auf emotionaler Ebene mit Marc zusammen sein. Genau wie bei der Beziehung mit Dietrich scheint sich Alex wenig um die Gefühle ihres Partners zu kümmern, das verschafft ihr leider beim Zuschauer einen Minuspunkt, da sie ansonsten einen souveränen Auftritt als emanzipierte Taxifahrerin hinlegt. Man wird überrascht sein, wie sich jedoch diese Beziehung auch tief in Alex’ Leben gräbt und wie sich ihr Leben dadurch auf eine Weise verändert, wie sie es selbst vielleicht gar nicht spürt.

Für mich als Kind der 90er Jahre ist jeder Film, der im Deutschland der 1980er spielt, auf eine gewisse Art surreal oder zumindest fern. Doch hier hebt sich dieses Gefühl noch ein Stück weiter ab, ganz besonders durch die Präsenz der alten Automodelle in den Straßen Hamburgs; der Kleidung, die in mancher Hinsicht eine Erregung öffentlichen Ärgernisses darstellen müsste; des Geldes, denn die D-Mark tritt nicht selten in Erscheinung; der Musik, und nicht zuletzt der Sprache, denn Begriffe wie „knorke“, „dufte“ und „voll krass“ erinnern einen selbst an die Zeit, die man nie erlebt hat.

Eine Frage keimte in mir nach dem Film innerlich auf: Warum Peter Dinklage? Das ist keineswegs abwertend gemeint, denn ich bin ein großer Dinklage-Bewunderer. Karen Duve beantwortete die Frage schließlich selbst, indem sie sich ebenfalls als großer Peter Dinklage-Fan outete und bei der Verfilmung ihres Romans die Chance sah, die Rolle des Kleinwüchsigen Marc mit ihrem Lieblingsschauspieler besetzen zu können. So einfach kann das manchmal sein.

Das Buch „Taxi“ muss man nicht zwingend gelesen haben, um sich im Film wieder- und einzufinden. Die Figuren und die Hierarchie unter diesen sind sehr einfach strukturiert und das Zusammenspiel ist sehr schnell zu analysieren. Der Film bietet lustige und bittere sowie auch zeitweise ernste Situationen, in denen man mit den Figuren lacht, zittert oder sie einfach nur verteufeln möchte. Die Leichtigkeit und Coolness, typisch für die 80er, mit der manche Situation gelöst wird, ist wirklich angenehm anzuschauen. Ich spreche eine absolute Filmempfehlung aus, man sollte sich jedoch vorher eventuell eine kurze Inhaltsangabe anlesen, um auf alles vorbereitet zu sein.

Der Film ist ab dem 20. August 2015 in den deutschen Kultur- und Programmkinos zu senen.

Zum Buch
Karen Duve: Taxi. Erschienen im Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 2008. 313 Seiten, 19,95,-€
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