Quo vadis, SPD? Ein Wegweiser.
Was hatte sich die SPD dabei nur gedacht? Als sie Peer Steinbrück 2013 als Galionsfigur in den Wahlkampf schickte um den Kanzler zu stellen, war abzusehen, dass die Genossen allenfalls zum Händeschütteln der Kanzlerin ins Kanzleramt kommen sollten. Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat war in etwa so sympathisch und geeignet wie ein vollgeschmückter Weihnachtsbaum am Strand von Malibu — genau: passt irgendwie nicht. Es war damals schon ein Kampf gegen merkelsche Windmühlen.
Und seitdem hat sich nicht viel geändert für die Grand Dame der Volksparteien: konstante 25 Prozent in den Umfragen, keine geeigneten Kanzlerkandidaten für die nächste Wahl in zwei Jahren, ein umstrittener Vorstand und ein Partei-Chef, der lieber andere vorschickt, als sich selbst die Klatsche abzuholen. Doch wie hält man eine Volkspartei eigentlich konstant bei 25 Prozent? Ein Schaubild für SPD-Chefs dazu liefert die aktuelle Ausgabe der ZEIT: Generalsekretärinnen nerven, Basis und Wähler verwirren, Minister malträtieren und enteiern im Fall Heiko Maas und natürlich wirtschaftsfreundliche Gesetze verabschieden. Die Sozialdemokraten haben ihr Wahlprogramm in der Regierung Merkel brav zur Mitte der Legislaturperiode gebetsmühlenartig abgearbeitet; Rente mit 63, Mindestlohn, Energiewende (naja..), Mietpreisbremse, Kita-Ausbau. Und nun? Nachdem nun ein „SPD-pur-Programm“, wie Familienministerin Schwesig es nennt, in Rekordzeit durchgedrückt wurde, fehlt den Genossen die inhaltliche Orientierung bis zur nächsten Wahl. Die ist erst in zwei Jahren und bis dahin vertreibt man sich die Zeit mit der Frage: wem wird die unrühmliche Aufgabe zuteil, 2017 die nächste Schlappe gegen Merkel einzufahren?
Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht
Die SPD solle auf einen eigenen Kanzlerkandidaten bei der nächsten Wahl verzichten: diese Aussage kommt nicht etwa von CSU-Generalsekretär Scheuer oder der CDU, nein, sie stammt von Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsident Torsten Albig höchstselbst. Er spricht aus, was viele innerhalb und auerhalb der Partei denken. In einem Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk sagte Albig, der für skurrile Vorschläge bekannt ist, Kanzlerin Merkel mache derzeit ihre Arbeit „ganz ausgezeichnet“, die Deutschen würden sie dafür lieben und da könnte man sich den eigenen SPD-Kandidaten ja eh gleich sparen. Um es kurz zu machen: Albig hat Recht. Es ist keinesfalls Resignation oder Selbstverzwergung, das hat der Wähler bereits 2013 klar geregelt. Laut Albig könnte auch eine bloße Regierungsbeteiligung in zwei Jahren das Ziel der SPD sein — wieder unter Merkels Führung. „SPD wählen, Merkel kriegen“ könnte da ein Wahlkampfslogan lauten. Diese stolze alte Volkspartei, wobei man über den Begriff „Volkspartei“ angesichts der derzeitigen Umfragen durchaus feilschen könnte, würde sich die nächste große Klatsche sparen. Aus ihrem Selbstverständnis heraus wird sie wohl einen Kandidaten benennen — sie muss es sogar. Und der heißt Sigmar „Zick-Zack-Siggi“ Gabriel.
Die Luft ist raus
Er ist mittlerweile sogar wendiger und häufiger bei den Meinungs- und Kurswechseln als Angela Merkel, beispielsweise bei der Energiewende oder der Vorratsdatenspeicherung. Merkel hat sich allmählich nach zehn Jahren Kanzlerschaft positionsmäßig eingependelt, so scheint es. Es ist klar, dass Gabriel gegen Merkel 2017 antreten wird, um ihr das Kanzleramt abjagen zu wollen. Offiziell zumindest. In Wahrheit wird Gabriel sich die Klatsche stellvertretend für die SPD einholen, weil sich schlicht und einfach sonst niemand vom derzeitigen Personal darum reißt. Geschweige denn dazu fähig wäre. Die SPD, die mal so etwas wie die Partei der Arbeiter und des kleinen Mannes war, mittlerweile aber eher wirtschaftsfreundliche Gesetze ausarbeitet, ist zu einer Art scheintoten Möchtegern-Massenpartei geworden. Maßgebliche Verantwortung dafür trägt selbstverständlich auch der Vorsitzende Gabriel. Im ZDF-Sommerinterview rumpelte er, man werde dann sehen, wer letztendlich der Kandidat gegen Merkel werde und dass die Frage, ob er jetzt antrete oder nicht, nur Journalisten interessiere. Gabriel ist bei den Deutschen in etwa so beliebt wie Fußpilz, Falschparker oder Weihnachtsbäume am Strand von Malibu.
Die Arbeit der Bundesregierung trage klar und deutlich eine sozialdemokratische Handschrift, heißt es immer wieder von der Partei, wenn nach dem Erfolg der SPD in der Großen Koalition gefragt wird. Dass aber Angela Merkel erst Stift und Papier bereitgestellt hat, wird gern weggelassen. Fragt man die Deutschen, so geben 60 Prozent der Bundesbürger an, die Arbeit der Kanzlerin für „gut“ bis „sehr gut“ zu befinden. Die gleichen 60 Prozent sind mit der Arbeit der Regierung insgesamt jedoch unzufrieden. Was also kann die SPD tun, um beim Volk wieder zu punkten und bald, vielleicht schon 2021, wieder ernsthafte Chancen auf eine Rückeroberung des Kanzleramts zu haben? Entweder man lässt Gabriel den Karren 2017 nochmal vor die Wand fahren und holt vielleicht 28 oder 29 Prozent und triumphiert dann weitere vier Jahre später mit einem eigenen Kanzler — Willy Brandt brauchte schließlich auch drei Anläufe. Oder die SPD tritt geschlossen in die Union ein und macht mit Merkel Wahlkampf. So oder so: an der ausgesprochenen Wahrheit von Albig hat die Partei erstmal zu nagen und wird sich darauf besinnen müssen, wo sie steht und wo sie hinwill. Und mit wem.