Eine Organisation namens „PEGIDA“
„PEGIDA“ ist ein Akronym und bedeutet „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Dieser mittlerweile eingetragene Verein (e.V.) und seine Mitglieder befürchten eine Islamisierung des Abendlandes, worunter sie unsere westlich(-europäische) Zivilisation verstehen. Der Verein wird von Presseorganen und Staatsbehörden als fremdenfeindlich und rassistisch eingestuft. Seit Oktober 2014 gibt es die Pegida-Demonstrationen bundesweit, zunächst waren sie nur auf Dresden beschränkt, da Pegida dort ihren Ursprung hat. Am vergangenen Montag nahmen geschätzt 18.000 Demonstranten an einem „Abendspaziergang“, wie Pegida ihre Demonstrationen selbst nennt, in Dresden gegen die von ihnen befürchtete Islamisierung und Zuwanderungswelle teil. Pegida ist keine politische Partei und keine gemeinnützige Organisation, sondern ein eingetragener Verein, der regelmäßig montags in Dresden die großen Demos mit tausenden Teilnehmern organisiert, die man aus der Berichterstattung der Medienorgane kennt.
Die Mitglieder oder Anhänger von Pegida demonstrieren nach Aufforderung durch die Demo-Leitung schweigend und sie rufen keine Parolen, ab und zu vernimmt man jedoch die bekannten „Wir-Sind-Das-Volk“-Rufe; damit bezieht sich Pegida auf die Montagsdemonstrationen 1989/1990 in der DDR, die letztlich die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands einläuteten. Doch Pegida missbraucht die damit positiv verbundene Vorstellung von Demokratie, Freiheit und Pluralismus, um ihre eigenen perfiden und fremdenfeindlichen Forderungen und Vorstellungen vorzutragen. Die Menschen in der DDR gingen zu jeder Zeit unter dem Einsatz ihres Lebens auf die Straße, um für Frieden und Demokratie zu demonstrieren. Dieser Einsatz und der damit verbundene Freiheitsgedanke wird von Pegida verhöhnt, noch schlimmer, die Menschen werden verhöhnt und die kruden Vorstellungen und irrationalen Ängste der Pegida-Anhänger gleichgesetzt mit einem Volk, das gegen eine Diktatur demonstrierte. Das passt nicht zusammen.
Wer ist PEGIDA und was fordert PEGIDA?
Im Allgemeinen fordert Pegida eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema Integration, Flüchtlingspolitik, Asyl- und Zuwanderungspolitik. Diese Debatten gab es in Deutschland in den letzten Jahren und Jahrzehnten mehrmals und auch intensiv, doch nun versucht eine relativ kleine, lokale Minderheit mit lauter Stimme diese öffentliche Debatte, die im Kern gut ist und die wir auch brauchen, aber zu eigenen Zwecken zu instrumentalisieren: Pegida warb einmal mit einem Wahlplakat der CDU aus den 1960er Jahren auf dem „Rettet die abendländische Kultur“ zu lesen war, das anlässlich des Zustroms der ausländischen Gastarbeiter verwendet wurde. Die CDU als bürgerlich-konservative Partei in den 1960er Jahren konnte dieses Plakat im politischen Sinn verwenden, zumal Wahlplakate nicht selten martialisch und provozierend auffallen. Jedoch hat sich die CDU bzw. die konservative Parteienlandschaft in den letzten 50 Jahren grundlegend ver- und geändert, sodass man dieses Plakat in dieser Form heute bei keiner der etablierten Parteien mehr finden würde, geschweige denn würde darüber diskutiert, so einen Aufdruck zu verwenden. Das Aufkommen und der Erfolg der Alternative für Deutschland (AfD) ist solch eine Veränderung. Die Wählerschaft der AfD setzt sich ebenfalls aus bürgerlich-konservativen Kreisen mit oftmals akademischem Hintergrund zusammen, also genau die Wählerschaft auch der Union, teilweise des rechten Flügels der SPD und der verblichenen FDP, deren Platz die AfD im Parteienspektrum erfolgreich eingenommen und sie bei der Bundestagswahl 2013 sogar aus dem Bundestag geworfen hat. Die AfD und ihre Mitglieder und Anhänger passen in die Zielgruppe von Pegida. Bis heute hat sich die AfD nicht eindeutig für oder gegen Pegida positioniert, wohingegen alle etablierten Parteien, ob im Bundestag vertreten oder außerparlamentarisch tätig, eine eindeutige Abgrenzung zu Pegida haben erkennen lassen. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck haben in ihren Ansprachen zu Weihnachten und Neujahr deutliche Worte für Pegida gefunden. Die AfD steht Pegida daher politisch am ehesten zugewandt, zumal man einige Forderungen bei beiden Organisationen finden kann: schnellere Abschiebung von Asylbewerbern, Kopftuch- und Burkaverbot, Begrenzung der Zuwanderung nach Systemen anderer Staaten, eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffälligen Asylbewerbern, die Einführung von Volksentscheiden zum Thema Asyl und Migration; die Liste ließe sich so fortsetzen.
Wie muss man mit PEGIDA umgehen?
Letztlich bleibt es schwierig, Pegida oder ihre Anhänger ausreichend und gründlicher zu beurteilen, da die Demonstrationsleitung die Teilnehmer dazu angehalten hat, der „Mainstream-Lügenpresse“, also Medien wie diesem und anderen Presseorganen, keine Interviews oder Grundlagen für negative Berichterstattung zu geben, dazu gehört auch das schweigende Demonstrieren ohne Parolen. Die Tagesschau, der WDR, das ZDF, verschiedene namhafte Zeitungsmedien, darunter ZEIT, WELT, taz, Kölner Stadt-Anzeiger, Passauer Neue Presse u.a., haben bisher vergeblich versucht, Interviews mit Pegida-Demonstranten zu führen. Der Leiter der Demonstrationsleitung, Lutz Bachmann, gab bisher nur dem Klatschblatt BILD und der neurechten Jungen Freiheit ausführliche Interviews. Bachmann ist ein vorbestrafter Aktivist, der als Initiator und „Leiter“ von Pegida gilt. Eine Information über seine Person reicht aus, um sich die Ironie hinter der Pegida-Figur Bachmann zu Gemüte zu führen: Bachmann wurde 1998 wegen mehrere Straftaten zu einer mehrjährigen Bewährungsstrafe verurteilt und floh vor den deutschen Behörden nach Südafrika und lebte dort mehrere Jahre unter falscher Identität. Er wurde nach einer Identitätsprüfung nach Deutschland abgeschoben. Seine Bewährungsstrafe läuft im Februar 2015 aus. Bachmann richtet sich mit seinen Forderungen also genau gegen die Menschen, von denen er früher einmal einer war: „straffällige Migranten“. Zudem hielt er sich auch noch illegal in Südafrika auf. Vor kurzem sagte Bachmann, auf diesen Abschnitt seines Lebens angesprochen und gefragt, ob dies nicht die Seriosität Pegidas infrage stelle, dass seine Vergangenheit weit zurückliege und man Pegida in der Gegenwart beurteilen müsse. Beim Thema Beurteilung von Pegida und ihren Forderungen kann man es auf die bloße Frage herunter brechen:
Wogegen demonstrieren die da eigentlich?
Laut Statistischem Bundesamt, das sich auf Erkenntnisse des letzten Zensus von 2011 bezieht, leben in Deutschland zwischen 4 und 5 Millionen Muslime, das entspricht einem Anteil von 5% bzw. 5,6%. Noch konträrer: in Sachsen, wo Pegida montags mit zehntausenden Anhängern gegen eine Islamisierung demonstriert, lebten 2009/2010 gerade mal 4.000 Muslime, das sind 0,1% der Bevölkerung. Ein Tsunami von Menschen islamischen Glaubens, der zu uns rollt, ist also keine Realität und auch nicht in Sicht. Man kann mit den Zahlen so weiter spielen, so leben in Deutschland geschätzt etwa 7.000 Salafisten, von denen etwa 30% konvertierte Deutsche sind, die nicht ausgewiesen werden können oder mit Personalausweis-Entzug belegt werden können. Das alles sind also absolut konträre Zustände zu dem, was uns Pegida Glauben machen möchte.
Ja, Deutschland braucht dennoch eine breite öffentliche Diskussion über Zuwanderung, Migration und Asylpolitik, aber dafür müssen die Voraussetzungen stimmen und die stimmen derzeit nicht: Pegida darf und kann nicht der Grund für die Bestimmung der gesellschaftlichen Debatten sein. Wer diesen Kurs einschlägt, begibt sich auf sehr dünnes Eis. Die Debatte muss von sich aus und den Zuständen der allgemeinen Politik ausgehen. Dass das kompliziert ist, haben wir im letzten Bundestagswahlkampf gesehen, als die SPD den Doppelpass und damit die doppelte Staatsangehörigkeit legalisieren wollte: interessiert hat es die Deutschen herzlich wenig. „Mutti regelt schon“, brummte der vom Ohnmachts-Nebel eingesäumte Wähler. Jetzt, wo wir Pegida haben und eine sich formierende Front gegen den Islam in Deutschland, werden die Rufe nach einer Debatte lauter. Doch wer eine Debatte fordert, sie selbst aber nicht führen will, der macht es sich leicht. Jetzt, wo den Deutschen bewusst wird, dass wir ein buntes, vielfältiges und keinesfalls tolerantes Land sind, sehnen sich alle nach einer allgemeinen Aufwachspritze, die sie von der einverleibten Politik-Langeweile befreit.
Dafür könnte es aber bereits zu spät sein.