Special: Die Queen in Berlin
Dienstagabend, 23. Juni. Wartehalle Berlin-Tegel Airport. In einer halben Stunde landet die Königin auf dem einzig benutzbaren Flughafen der Hauptstadt. Der Warteraum ist reich angefüllt mit ungefähr hundert Journalistinnen und Journalisten, viele bekannte Gesichter sind dabei, z.B. die Leiterin des ARD-Studios in London Hanni Hüsch und Bericht-aus-Berlin-Moderator Rainald Becker. Die Technik wird gecheckt, ausprobiert und zusammengebaut.
Draußen regnet es in Strömen, es ist nicht mehr lange bis zur Ankunft der royalen Maschine und die ersten Witze über das vorausgeeilte britische Wetter werden gemacht. Dann endlich gibt es das erlösende Zeichen: der Regen hat zwanzig Minuten vor Ankunft aufgehört und die Türen öffnen sich, die Kolleginnen und Kollegen stürmen nach draußen. Vorne weg natürlich die Damen und Herren des TV, um die beste Aufsager-Position auf der Tribüne zu erwischen. Ich geselle mich zu zwei Kollegen von Sky News und CNN, beide sind zwischendurch live auf Sendung und wir müssen unser Gespräch ein paar Mal unterbrechen.
Die wichtigste Frage ist die Kleiderfrage
Die alles beherrschende Frage bei den britischen Kollegen lautet: Welche Farbe wird die Robe der Königin haben? Man ist der vorherrschenden Meinung, dass es bordeauxrot oder schlüsselblumengelb sein wird, zweites ist die Lieblingsfarbe Ihrer Majestät. Das Wachbatallion der Bundeswehr marschiert an der Tribüne vorbei und steht bereit. Ich erfahre von der britischen Kollegin Katy, dass zwei Eurofighter die Maschine der Queen eskortieren.
You will hear them approaching, so don’t worry.
Und so ist es dann auch: um 18:59 Uhr donnern die beiden Kampfjets über unsere Köpfe und drehen eine Runde. Eine Minute später und damit um exakt 19 Uhr — man kann die Uhr nach dieser Dame stellen — landet die Sondermaschine aus London mit den royalen Passagieren an Bord. Bereits bei der Landung überschlagen sich einige Anwesende beim Knipsen, als wäre das der Höhepunkt. Das Ganze ist lustig mit anzusehen.
Empfang am Flughafen ohne Gauck und Merkel
Das Wachbatallion geht in Stellung. „Die versperr’n mir dit Bild mit ihr’n verdammten Knarren“, raunzt ein Fotograf der dpa. Er verschwindet nach hinten und somit wird für mich ein Platz in der ersten Reihe frei. Darauf habe ich gewartet und ich springe nach vorn, auch hier stehen Sky News und CNN. Die Legacy 650 der Königin kommt zum Stehen, das Windsor-Wappen flattert leicht im Wind. Der rote Teppich wird ein letztes Mal sehr schnell von der Nässe befreit, der britische Botschafter in Deutschland Simon McDonald geht mit der Begrüßungsdelegation in Bereitschaft. Als ich am Flughafen ankam, nahm ich irrtümlich den Eingang für die Staatsgäste statt den für Journalisten und lief gerade zu in ihn hinein. Die Treppe wird heruntergelassen und die Soldaten stehen still. Ein paar Polizeiautos und Motorräder wechseln geschwind die Seiten, Soldaten gehen in Stellung, Offiziere ziehen die Uniformen stramm, und wir warten, dass wir auf den Auslöser drücken können. Dann erscheint Queen Elizabeth II. in stark royalblauem Mantel und leicht türkis-blauem Hut mit ebenfalls dunkelblauer Rose an der Flugzeugtür.Es knallt gewaltig und alle zucken zusammen: 21 Salutschüsse der Artillerie heißen die Königin willkommen.
Souverän und erhaben schwebt sie die Treppe herunter und wird von der Delegation begrüßt, allen voran Botschafter McDonald. Bundespräsident Joachim Gauck oder Bundeskanzlerin Merkel sind nicht dort, da die Queen erst am nächsten Tag von ihnen empfangen wird und Staatsgäste nie von ihnen direkt am Flughafen empfangen werden. Die Königin schreitet die Delegation ab, schüttelt Hände, plaudert ein wenig. Immer zwei Schritte hinter ihr und das schon seit mehr als 60 Jahren folgt ihr Ehemann Prinz Philipp, Herzog von Edinburgh. Er beging vergangene Woche seinen 94. Geburtstag, die Queen wurde am 21. April stolze 89 Jahre alt.
Unter den Linden 77 — Hier wohnt die Queen in Berlin
Die etwa elf Millionen Euro teure Bentley State Limousine fährt vor. Die fast vier Meter messende Staatskarosse der britischen Königin mit einem stolzen Leergewicht von über drei Tonnen war bereits vergangenen Sonntag in Berlin eingetroffen. Eine große Polizeieskorte aus etwa 20 Motorradpolizisten bildet die Speerspitze des königlichen Konvois, der direkt zum Hotel Adlon fährt. Dort wird die Königin wie auch bei ihrem letzten Staatsbesuch 2004 während ihrer Zeit hier in Deutschland wohnen, direkt gegenüber der britischen Botschaft am Brandenburger Tor. Am nächsten Tag wird sie morgens um halb elf von Bundespräsident Joachim Gauck und Lebensgefährtin Daniela Schadt in Schloss Bellevue empfangen, danach geht es mit einer Bootsfahrt zum Kanzleramt zur Bundeskanzlerin, wo die beiden Damen ein etwa halbstündiges Gespräch führen werden.
Mittwoch, 24. Juni, 7.00 Uhr.
Ein schönes Gefühl
Der Tag beginnt früh, denn die Zeit täuscht: Frühstück, duschen, auschecken, Fahrt zum Schloss Bellevue, Sicherheitskontrolle, Platz suchen — da können auch dreieinhalb Stunden knapp bemessen sein. Aber die Zeit reicht und nach einem reichhaltigen Frühstück und nachdem die News zum heutigen Tag gecheckt sind, geht es los zum Amtssitz des Bundespräsidenten. Ich kann prinzipiell nicht mit Stadtplänen- oder Karten umgehen, ich bin da eher konventionell und frage Menschen nach dem Weg. Doch das muss ich heute gar nicht: Je näher ich dem Schloss komme, desto mehr Polizisten und Soldaten kommen mit immer schwereren Waffen auf mich zu und da weiß ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Und dann steht es erhaben vor mir: Schloss Bellevue, seit 1994 der Amtssitz des deutschen Staatsoberhauptes. Ich befinde mich in einer absoluten Hochsicherheitszone, vor und hinter mir sind Absperrungen und Polizisten, Militär- und Polizeifahrzeuge, Spürhunde und Sondereinheiten an jeder Ecke. Auf der anderen Straßenseite stehen ein paar hundert Schaulustige, die sich trotz des gefährlich nassen Wetters schon lange bereitgestellt haben, der Queen zuzuwinken und das ein oder andere Foto zu erhaschen. Da ich zwischen Absperrungen auf der anderen Seite in der red zone stehe und mal kein Tourist bin, genieße ich es, den Menschen auf der anderen Seite zuzuwinken. Dieses Mal stehe ich wirklich auf der richtigen Seite der Absperrungen.
Britische Prominenz als Unterstützung
Nach der Sicherheitskontrolle empfängt uns eine Mitarbeiterin des Bundespräsidialamts. „Wir sammeln uns hier und gehen gemeinsam hinüber zum roten Teppich.“ Heute wird nichts dem Zufall überlassen. Die Pressetribüne vor dem roten Teppich steht wirklich gefährlich nahe dran, man könnte fast auf den Teppich hüpfen, stünde man in der ersten Reihe. Ich habe mich beim Warten inzwischen mit Kristina Hortenbach angefreundet, sie ist die Promireporterin von SWR3. Wir stehen ganz oben auf der Tribüne, haben den besten Blick über die Szenerie, frieren aber auch am meisten, denn der Wind weht scharf über das raspelkurz geschnittene Gras der Schlosswiese. Mittlerweile ist Botschafter McDonald samt Frau und Begrüßungstross eingetroffen. Plötzlich wird es unruhig, acht Regierungsfahrzeuge fahren vor, viel Polizei, einige rufen „Die Queen ist da“. Ich allerdings sehe nirgends das Wappen des Hauses Windsor an den Fahrzeugen, es kann also unmöglich Ihre Majestät sein. Außerdem ist es erst viertel nach zehn. Wenn ich eins in den letzten Jahren gelernt habe, dann, dass man die Uhr nach der Königin stellen kann. Es war nicht die Queen, sondern der britische Außenminister Philip Hammond mit seiner Frau Susan Williams-Walker, der in der Regierungskolonne vorfuhr. Nicht schlecht, denke ich mir. Die Queen ist im Lande, der britische Außenminister kommt mit und nachmittags empfängt Bundeskanzlerin Merkel noch den britischen Premier David Cameron für Gespräche im Vorfeld des EU-Gipfels am Donnerstag. Entweder hat David Cameron einen passenden Termin für seinen Besuch gewählt mit royalem Understatement, oder die Queen unterstützt Camerons Reformkurs gegenüber der EU und möchte ihm unter die Arme greifen, man kann es drehen und wenden wie man will, letztlich bleibt es Interpretationssache oder reiner Zufall. Die Queen ist und bleibt unpolitisch und das ist auch gut so.
Kleine Patzer passieren – auch diesmal
Alsdann ist es doch so weit: Kristina Hortenbach und ich frieren dermaßen, dass wir nur noch mit königlicher Treue der Kälte widerstehen. Der königliche Konvois nähert sich und die versammelten Berlinerinnen und Berliner sowie Touristen jubeln auf, Queen und Duke grüßen brav und biegen in die Einfahrt des Schlosses. Heute trägt die Königin ein zauberhaftes creme-kristallweiß mit Gold- und Silberelementen, dazu einen passenden Hut mit Rosenschleife; wie immer „totally brilliant“. Frau Schadt trägt ein hummerrotes Kostüm, ebenfalls mit Hut. Die Modereporter werden herzerfüllt sein. Bundespräsident Gauck und die First Lady stehen schon bereit, die bordeauxrote State Limousine fährt vor, hält und die Queen steigt elegant wie eh und jäh auf der Schlossseite aus, Prinz Philipp, bekannt für seinen kecken Kommentare gegenüber Journalisten, kann es sich auch diesmal wieder nicht verkneifen und pfeift: „There you are again!“ Die Königin und der Herzog beschreiten den roten Teppich gemeinsam mit Bundespräsident und Präsidentengattin, posieren kurz für Fotos — Gauck hat dabei sichtlich mehr Spaß als die Königin, während Schadt und Prinz Philipp genüsslich plaudern. Im Schloss trägt sich die Monarchin ins Gästebuch ein, ehe es zur Begrüßung mit militärischen Ehren in den Schlossgarten geht, auch so etwas gehört zu seinem Staatsbesuch dazu. Die Queen und der Bundespräsident schreiten die Ehrenformation der Bundeswehr ab, alles läuft glatt. Auch beim Gruß des befehlshabenden Offiziers auf halber Strecke, bei dem Gauck vor der Queen kurz stehen bleibt, läuft alles nach Plan. Die Queen ist nicht nur ein medialer, sondern auch ein protokollarischer Vollprofi, es ist schließlich ihre 97. Staatsvisite in ihrer 63-jährigen Amtszeit. Bevor es ins Schloss zum Gespräch geht, passieren Gauck und die Queen noch eine Schülergruppe aus Berlin-Spandau. Hier allerdings vergaß die Dolmetscherin der Queen rechtzeitig Bescheid zu geben, denn statt eines geplanten kurzen Gesprächs mit den Schülerinnen und Schülern gingen die beiden Staatsoberhäupter weiter. Gauck schüttelte viele Hände und begrüßte, er mag sowas. Die Königin hält immer — egal zu welchem Anlass — drei Meter royalen Abstand, sie winkte und lächelte. Später sprach ich mit den Schülern. Nichts habe sie gesagt, verriet mir einer, sie lächelte nur, aber es sei eine sehr erhabene und eindrucksvolle Begegnung gewesen. Wie gern hätte ich doch mit ihm getauscht.
Die mächtigste Frau der Welt empfängt die berühmteste Frau der Welt
Nachdem im Schloss das Programm durchgearbeitet wurde und wir unsere Plätze verlassen hatten, machten sich alle geradewegs auf dem Weg zum Spree-Ufer, wo die Queen und der Bundespräsident via Boot zum Kanzleramt fuhren. Ich jedoch begab mich direkt zum Kanzleramt. Die Kanzlerin erschien im Ehrenhof mit einem roten Blazer. Auch bei ihr ist die Kleiderfrage mindestens so brisant und gefragt wie bei der Queen. Als die State Limousine vorfährt, sitzt die Queen diesmal allein darin. Ihr Mann und die Delegation waren vorher bereits ausgestiegen und gingen die letzten Meter zu Fuß. Dieser Moment sollte ganz allein Kanzlerin und Königin gehören. Und den rund fünfzig Journalisten drumherum natürlich. Die Begrüßung war sehr herzlich und offen. Oben im Kanzleramt führte Merkel die britische Dame ein wenig durch die Räumlichkeiten und sogar hinaus auf den Balkon, wo sie ihr einen kurzen visuellen Überblick über den Verlauf der Mauer gab. Im Inneren setzen die beiden sich gemütlich bei Tee und Gebäck zusammen. Merkel spricht nochmal ihr herzliches Willkommen aus und weist darauf hin, dass der Staatsbesuch sehr geschichtsträchtig sei, er finde 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs statt. „Oh yes, so many anniversaries“, antwortet die Queen und setze ein breites Lächeln auf.
Am Nachmittag legte die Queen noch einen Kranz für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft nieder, bevor es wieder ins Hotel Adlon geht. Am Abend findet ein Staatsbankett in Schloss Bellevue statt, zu dem auch der britische Premierminister Cameron, Außenminister Hammond, Botschafter McDonald und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Gatte Joachim Sauer erscheinen werden. Am Donnerstag reisen Queen Elizabeth und Bundespräsident Gauck nach Frankfurt. Außerdem wird die Queen das ehemalige Konzentrationslager Bergen-Belsen besuchen. Es wird ihr erster Besuch in einem deutschen KZ sein. Der Staatsbesuch endet am Freitag im niedersächsischen Celle, wo aus die Königin und der Herzog wieder zurück nach Großbritannien fliegen werden.
Nachstehend eine kleine Fotogalerie mit weiteren Eindrücken: