Presseschau 26.07.2015
In der heutigen Presseschau geht es um die Wiederkehr des Terrors und der Gewalt in die Türkei. Nachdem die türkische Regierung am Wochenende erstmal Stellungen des IS in Syrien bombardiert hat, griffen türkische Kampfjets auch Lager der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK des inhaftierten Andullah Öcalan im Norden des Irak an. Daraufhin kündigte die PKK das seit 2013 bestehende Waffenstillstandsübereinkommen sofort auf.
Den Anfang macht die Rheinische Post:
„Fast über Nacht hat sich die Syrien-Politik der Türkei grundlegend gewandelt. Lange sträubte sich Ankara dagegen, aktiv am militärischen Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) teilzunehmen; in den ersten Jahren des syrischen Bürgerkriegs seit 2011 hatte die türkische Regierung sogar gehofft, Extremistengruppen wie der IS könnten den Sturz des syrischen Staatschefs Bashar al-Assad beschleunigen und so türkischen Zielen dienen. (…) Mit der Neuausrichtung der IS-Politik versucht Ankara nun die Flucht nach vorne. Wenn der „Islamische Staat“ in eine Dauer-Defensive gedrängt und nachhaltig geschwächt wird, sinkt die Terrorgefahr im Land, und die türkisch-kurdischen Spannungen können abgebaut werden. Doch die Dschihadisten dürften jetzt erst recht versuchen, den Krieg auf türkisches Gebiet zu tragen. Der Syrien-Konflikt ist in der Türkei angekommen“, kommentiert die Rheinische Post.
„Nicht einmal eine symbolische Geste wie eine Staatstrauer, die man Anfang des Jahres noch zu Ehren des verstorbenen saudi-arabischen Königs verhängt hatte, waren ihm die Opfer wert“, urteilt die WELT über die Reaktion der türkischen Führung nach dem Anschlag in Suruc. „Und natürlich hat sich kein Repräsentant dieser Regierung, die einfach so tut, als habe keine Wahl stattgefunden, auf einer Beerdigung blicken lassen. (…) Aber selbst wenn Erdoğan bloß politisches Kapital aus den Ereignissen zu schlagen versucht, ist es töricht zu glauben, man könne eine militärische Eskalation am Abend der Neuwahl einfach so beenden. Die Türkei torkelt dem Chaos entgegen. Und jene Kraft, die die AKP in die Schranken zu weisen schien, nämlich die Kurden, droht verloren zu gehen – in der Türkei wie in Syrien“, mahnt die WELT.
Die Wochenzeitung DIE ZEIT meint, die türkische Regierung verfolge mit den neuerlichen Aktionen gegen IS und PKK lediglich Eigeninteressen:
„Die Türkei hat ihre Politik allerdings weder aus humanitären Erwägungen geändert, noch weil die USA sie darum gebeten hätten. Ankara interessiert nur das eigene Kalkül. Der – vermutlich zu Recht dem IS angelastete – Anschlag von Suruç am 20. Juli, bei dem 32 Menschen ermordet wurden, sowie der Tod eines türkischen Soldaten bei einem Gefecht mit IS-Kämpfern kurz darauf haben Ankaras Entscheidung vorangetrieben. Der tiefere Grund für das neue Engagement ist die langsam gereifte Erkenntnis, dass der IS in die Türkei einsickert: Er rekrutiert dort, spinnt Netze, plant Anschläge. Solange der IS allein in Syrien und im Irak ein Problem darstellte, war die türkische Regierung nicht übermäßig besorgt“, schreibt die Wochenzeitung DIE ZEIT.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht in der Neupositionierung Ankaras ein Kalkül, dass der AKP bei kommenden Neuwahlen ihre alte Stärke wiedergeben soll:
„Die Türkei wird in den syrischen Bürgerkrieg hineingezogen. Das allein ist schlimm genug. Aber es geschieht auch noch auf türkischem Boden. Der Krieg greift auf die Türkei über. Der politische Gewinner könnte Staatspräsident Erdoğan sein. Bei der Parlamentswahl vom 7. Juni hatte seine AKP die absolute Mehrheit verpasst. Immer deutlicher sind am Horizont die Zeichen einer vorgezogenen Neuwahl zu sehen, die dieses Missgeschick korrigieren soll. Erdoğan wird argumentieren, nur eine starke Regierung könne das Chaos in Griff bekommen. Damit die AKP die absolute Mehrheit zu bekommen kann, muss die kurdische HDP diesmal an der Sperrklausel von zehn Prozent scheitern. Sollte Ankara es erreichen, dass die HDP den Ruf einer friedlichen Partei verliert, könnte das Spiel aufgehen. Der Verlierer einer solchen Politik wäre die Türkei“, stellt die Frankfurter Allgemeine Zeitung fest.
In der Süddeutschen Zeitung beschäftigt man sich mit einer Zusammenfassung der Ereignisse in der Türkei in dieser Woche:
„Ein Land hat Angst. Ein Land nimmt Rache. Eine furchtbare Woche geht in der Türkei zu Ende. Am Montag hat ein mutmaßlicher IS-Anhänger in der türkischen Grenzstadt Suruç eine Bombe in einem Kulturzentrum gezündet und 31 Männer und Frauen mit sich in den Tod gerissen. Sie wollten helfen, die durch Kurden vom IS zurückeroberte Stadt Kobanê wieder aufzubauen. Am Dienstag töten Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zwei türkische Polizisten, die mit dem IS gemeinsame Sache gemacht haben sollen. Von dem Zeitpunkt an geht der Staat auch wieder mit aller Härte gegen die PKK vor. Am Donnerstag kommt es zu Gefechten mit dem IS im Grenzgebiet, bei denen der türkische Soldat Yalçın Nane stirbt. Die Militäroperation vom Freitag trägt seinen Namen: „Märtyrer Yalçın“. Die Türkei führt jetzt Krieg – gegen den IS, aber auch wieder gegen die PKK“, fasst die Süddeutsche Zeitung die Ereignisse zusammen.
Mit diesem Auszug endet die Presseschau.