Student Lukas Pollmann aus Bayern will die Ermittlungen mithilfe der Petition stoppen. (Foto: Privat)

netzpolitik.org: Student will Ermittlungen stoppen

Seit Bekanntwerden der Ermittlungen wegen Landesverrat gegen das Blog netzpolitik.org und die Journalisten Beckedahl und Meister, ist der Aufschrei in der Öffentlichkeit groß. Lukas Pollmann initiierte eine großangelegte Petition zum Stopp der Ermittlungen. Zurzeit haben knapp 70.000 Menschen unterzeichnet.

Es sei eine eher spontane Aktion gewesen die Petition zu starten, nachdem es bislang keine Initiativen zu diesem Thema gab, sagte Pollmann in einem Gespräch mit Reflekt. Es wäre ein falscher Schritt gewesen, sagte er, hätte es weiterhin keine Petition gegeben und so habe er die Initiative ergriffen. Die Petitionsplattform change.org habe ihn daraufhin kontaktiert und Unterstützung zugesichert. „Und da habe ich dann morgens beim Frühstück gesehen, dass bereits über tausend Menschen unterzeichnet hatte“, verrät der Student. Der Rücklauf sei besser verlaufen, als von ihm erwartet. Mittlerweile hat change.org sogar Kontakt zum Justizministerium hergestellt. Nachdem Generalbundesanwalt Range, an den sich die Petition ursprünglich richtete, nun nicht mehr im Amt ist, soll sie an Justizminister Heiko Maas übergeben werden.

NSA greift Verfassung an

Student Lukas Pollmann aus Bayern will die Ermittlungen mithilfe der Petition stoppen. (Foto: Privat)
Student Lukas Pollmann aus Bayern will die Ermittlungen mithilfe der Petition stoppen. (Foto: Privat)

Lukas Pollmann ist 21 Jahre jung und studiert Wirtschaftsinformatik an der Universität Würzburg. Nebenher arbeitet er u.a. für Microsoft und interessiert sich für das Thema Netzpolitik und Netzneutralität. Sein südbayerischer Heimatort Kempten im Allgäu hat rund 66.000 Einwohner und liegt damit zahlenmäßig knapp unter der Anzahl der Petitionszeichner. Außerdem war er vor dem Wirbel um netzpolitk.org regelmäßiger Leser und Unterstützer der Plattform. Es sei für ihn „ein Ding der Unmöglichkeit“, dass gegen die Aktivitäten des US-Geheimdienstes NSA in Deutschland nicht ermittelt werde, dann aber gegen kleine Journalisten wie Beckedahl und Meister, die „der Öffentlichkeit mit ihrer Arbeit einen Dienst erwiesen“, berichtet der 21-Jährige. „Die Spionage der NSA in Deutschland ist der größere Angriff auf unsere Verfassung.“ Es sei eine Verhöhnung der deutschen Bürgerinnen und Bürger und des Rechtsstaates, wenn ein Blog wie netzpolitik.org wegen angeblicher Straftaten verfolgt werde, die NSA aber wegen erwiesener Straftaten auf deutschem Boden unbescholten davonkomme.

„Die Entlassung von Range hat mich überrascht und enttäuscht.“

Nachdem Justizminister Heiko Maas den Gegenangriff Ranges am vergangenen Dienstag nicht auf sich sitzen lassen konnte, entließ er den 67-Jährigen in den einstweiligen Ruhestand. Die Entlassung stieß vielerorts auf Begrüßung, doch es gab auch Kritik an Maas’ Vorgehen. Wenn der neue Generalbundesanwalt aus München seinen Dienst antrete, bestehe die Gefahr, „dass die Luft raus ist und das eigentliche Thema bei diesen Entwicklungen in Vergessenheit gerät,“ sagte Pollmann zur Entlassung des ehemaligen GBA Range, „denn der Fall war stark mit Harald Range verbunden und viele Menschen glauben die Ermittlungen wäre eingestellt, wenn er jetzt nicht mehr da ist. Daher hat mich die Entlassung des GBA Range gleichermaßen überrascht und enttäuscht.“ Nun soll die Petition also an Justizminister Maas übergeben werden, die Plattform change.org hat bereits Unterstützung und Vermittlung signalisiert.

Justizminister Maas gerät nun selbst unter Druck. (Foto: dpa)
Justizminister Maas gerät nun selbst unter Druck. (Foto: dpa)

Landesverrat gehört abgeschafft

Reflekt: Es wurde darüber berichtet, dass das Justizministerium eine Abschaffung des Paragrafen des Landesverrats für Journalisten und Blogger prüfe. Laut Minister Maas sei dies in Zeiten des Internets und hoher Aktivität der Netzgemeinde nicht mehr zeitgemäß und müsse infrage gestellt werden. Was hälst Du von dieser Idee? Gehört der „Landesverrat“ abgeschafft?

Pollmann: Er sollte auf alle Fälle abgeschafft werden. Journalisten können nur dann richtig arbeiten, wenn der Staat sie bei der Veröffentlichung von Informationen, die die Öffentlichkeit interessieren müssen, nicht behindert. Gerade die deutschen Geheimdienste schränken die Arbeit der Blogger und Journalisten ein, und das geht gar nicht. Die Quellen geheim halten funktioniert bei so einem sensiblen Thema wie der Massenüberwachung kaum. Der Staat müsste Journalisten eigentlich stärken, statt sie zu schwächen. Der Speiseplan der Bundeswehr ist auch nicht öffentlich zugänglich, aber wird man gleich wegen Landesverrats angeklagt, wenn man den veröffentlicht? Landesverrat sollte Veröffentlichungen vorbehalten werden, die geheimste militärische Pläne betreffen und die äußere Sicherheit des Staates gefährden. Aber man kann niemandem vorhalten, sein Land zu verraten, wenn man seiner journalistischen Arbeit nachgeht. Der Verfassungsschutz hatte zum Ziel, eine geheime Abteilung zur Ausweitung der Internetüberwachung zu schaffen, um die Grundrechte weiter auszuhöhlen. Das übertrifft die bisherigen Veröffentlichungen eigentlich an Brisanz und ist der eigentliche Skandal. Darüber spricht niemand.

Die Rolle von Merkel, Maas und Maaßen

Hat sich bis jetzt nicht der Öffentlichkeit gestellt: Bfv-Präsident Hans-Georg Maaßen. (Foto: dpa)
Hat sich bis jetzt nicht der Öffentlichkeit gestellt: Bfv-Präsident Hans-Georg Maaßen. (Foto: dpa)

Reflekt: Angela Merkel hat sich bereits hinter Heiko Maas gestellt, von Verfassungsschutz-Präsident Maaßen hört man gar nichts und gegen Justizminister Maas sollen demnächst Ermittlungen wegen Vereitelung im Amt laufen. Wie geht es weiter?

Pollmann: Es wird ausgesessen, so war es bis jetzt immer. Merkel entlässt erfahrungsgemäß in brenzligen Situation einen Minister und dann ist die Sache scheinbar geklärt, sie wird sich raushalten und sich nicht selbst in Gefahr bringen. Die Macher von netzpolitik.org sollten selbst Anzeige erstatten. Wenn es eine Einstellung des Verfahrens gibt, wird alles schnell vergessen. Es sollte einen Prozess gegen die Beteiligten des Staates geben. Range ist ein Bauernopfer. Massen Verhalten als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist nicht tragbar: schon Fall der NSA gab es seinerseits nur Beschwichtigungen, keine Ermittlungen. Er greift die Pressefreiheit an, und das macht mit dem Auftrag die Verfassung zu schützen keinen Sinn. man sollte über eine personelle Alternative nachdenken.

Reflekt: … und Heiko Maas?

Pollmann: Er ist sehr unfestgelegt. Bei der Vorratsdatenspeicherung war er erst strikt dagegen, später unterstützte er das Vorhaben. Das Verfahren gegen netzpolitik.org hat er zumindest sehr lange geduldet, ohne einzuschreiten. Es ist schwierig einen Minister zu haben, der kaum eigene Standpunkte vertritt und nur Weisungen befolgt. Bei der SPD gibt es viel Streit um die VDS, doch er tat das, was man ihm sagte. Andere hätten sich weiterhin dagegen gesträubt und waren notfalls zurückgetreten. Er sollte mehr Kante zeigen: er hat sich in diesem Vorfall um netzpolitik.org lächerlich gemacht, weil er nur reagiert statt zu agieren.

„Das könnte am Trubel liegen, den die beiden derzeit haben.“

Reflekt: Wird das Thema bei der Bundestagswahl 2017 eine Rolle spielen?

Pollmann: Für die Netzgemeinde auf jeden Fall, ja. Auch für Parteien, die eine starke Internetpräsenz haben, etwa Piraten oder die FDP. Viele junge Wähler sprachen die Themen ACTA und Vorratsdatenspeicherung im Wahlkampf 2009 an. Netzpolitik wird jedenfalls mehr Aufmerksamkeit bekommen und auch im nächsten Wahlkampf eine nicht zu kleine Rolle spielen. Es könnte nochmals zur Stolperfalle für einen potentiellen SPD-Kandidaten werden. Wir werden sehen.

Auf Nachfrage verrät Lukas, dass es bisher keinen Kontakt mit den Journalisten Markus Beckedahl und André Meister gab. „Das könnte am Trubel liegen, den die beiden derzeit zu bewältigen haben. Aber es wäre schön, wenn ich sie irgendwann mal treffen könnte. Vielleicht wissen sie ja auch von der Petition.“

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