Presseschau am 23. August 2015.

Presseschau 16.08.2015

In dieser Ausgabe der Presseschau beschäftigen die Themen Flüchtlinge und Einwanderung die großen Nachrichtenmacher. U.a. spielt die sich seit Monaten verschärfende Krise in Calais und die EU-Flüchtlingspolitik eine Rolle. Es gibt auch einen besonders extravaganten Vorschlag, die Probleme in den Herkunftsstaaten zu lösen, den man allerdings nicht allzu ernst nehmen sollte.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung geht speziell auf die Situation im französischen Calais ein, wo seit Monaten tausende Flüchtlinge versuchen, illegal nach Großbritannien zu gelangen und übt dabei scharfe Kritik am britischen Verhalten:
„In Großbritannien und Frankreich herrscht Aufregung. Die gilt allerdings kaum dem individuellen Leid der Flüchtlinge, sondern uralten Grundsatzfragen und unlösbaren Widersprüchen. Frankreichs linke Regierung will den Ruf der Nation als Hort der Brüderlichkeit und Toleranz verteidigen. Sie muss aber jede Nacht schwer gerüstete Polizeieinheiten gegen Migranten schicken, die um ihr Leben rennen. Großbritanniens konservative Führung präsentiert sich dagegen als knallharter Inselverteidiger. Sie lässt aber durch die Vordertüren des Flughafens Heathrow und laxe Passgesetze vermutlich mehr illegale Einwanderer ins Land als die meisten anderen europäischen Länder. Der Ton ist rau: Von ‚Menschenschwärmen‘ sprach der britische Premier David Cameron, als handelte es sich um Insekten. Dennoch nutzt London seine Insellage aus und weigert sich strikt, bei einer etwas gerechteren Verteilung der Flüchtlinge und Migranten mitzumachen. Dabei kommen viele, auch in Calais, aus Ländern und Gegenden, denen britische Truppen in den vergangenen Jahren zwar Feuer und glühenden Stahl, aber wenig Frieden gebracht haben: Irak, Afghanistan, Libyen. Es wird höchste Zeit für eine gemeinsame EU-Asylpolitik, vergleichbare Versorgungsstandards, abgestimmte Integrationsangebote, Abschieberegeln und endlich auch Verteilungsquoten. Wenn die Lage in Calais dazu beitragen würde, den europäischen Regierungen diese Einsicht etwas näher zu bringen, dann hätte das Elend wenigstens etwas bewegt“, mahnt die FAZ an.

„Vorweg eine Testfrage: Welcher bekannte deutsche Politiker ist verantwortlich für das Asylbewerberleistungsgesetz?“, stellt ZEIT ONLINE in ihrer Morgenkolumne zur Diskussion. „Es regelt, wie viel Geld und welche Gesundheitsversorgung Flüchtlinge bekommen. Entscheidet darüber Innenminister Thomas de Maizière, der Mann, der sich am häufigsten in Interviews zu Flüchtlingen äußert? Oder Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident, der seine Partei mit seinen Aussagen zu Asylberwerbern provoziert? Oder Thomas Oppermann, der Sozialdemokrat, der besonders energisch für ein Einwanderungsgesetz wirbt? Zuständig ist Andrea Nahles. Die Arbeitsministerin ist neben de Maizière die zweite Flüchtlingsministerin im Kabinett. Ob geduldete, aber noch nicht anerkannte Asylsuchende feste Jobs annehmen dürfen, welche Stellen Flüchtlinge bekommen können oder die Frage, ob eine feste Ausbildungsstelle vor einer Abschiebung schützt: Alles Themen für das Nahles-Ressort. Zuletzt wurde das deutlich, als das Kabinett vergangene Woche die Auflagen für Asylbewerber lockerte, die Praktika machen wollen. Die Vorlage kam aus dem Arbeitsressort. Trotzdem hat Nahles sich in die Flüchtlingsdebatte lange nicht eingemischt“, bemerkt ZEIT ONLINE zu diesem Thema und nimmt Arbeitsministerin Andrea Nahes in die Pflicht.

Die Tageszeitung DIE WELT geht einen Schritt weiter und zieht den Blick auf die gesellschaftliche Spaltung in der Flüchtlingsdebatte und plädiert auch für ein Einwanderungsgesetz aus wirtschaftlicher Perspektive. „Deutschland erlebt einen kaum bewältigbaren Ansturm von Flüchtlingen. Das Land ist darauf unterschiedlich gut vorbereitet: Im wohlhabenden Westen deutlich besser als im sich zügig entvölkernden Osten. Als wären die praktischen Herausforderungen nicht groß genug, grassiert eine ideologische Instrumentalisierung, die den Flüchtling zum Spielball gesellschaftlicher Grundsatzdebatten macht. Stehen auf der einen Seite xenophobe Hinterwäldler und kulturpessimistische Reaktionäre, versammeln sich auf der anderen Seite Scheinheilige, die so tun, als könnte Deutschland jeden aufnehmen, dem danach ist. Rechte wie Linke jedoch verwechseln die Flüchtlingsdebatte mit einem Kulturkampf und unterlassen dabei, die volkswirtschaftliche Dimension zu bedenken. Es fehlt ein kühl ökonomischer Blick. Das Flüchtlingsdrama ist für Deutschland eine teure Angelegenheit. An Abschiebung und weiterer Ausflaggung sicherer Drittländer führt aber kein Weg vorbei. Und einem Einwanderungsgesetz, das jene (und nur jene) ins Land lässt, die gebraucht werden. Je mehr die Wirtschaft wächst, umso großzügiger können Bund und Land sein. Zeit also für Multikulturalisten, neoliberal zu denken und zu sprechen“, notiert die Tageszeitung DIE WELT.

Im Berliner Tagesspiegel gibt es mit einer großen Prise Ironie einen etwas anderen Reformvorschlag. Dazu schreibt das Blatt:
„Ein Reformvorschlag: Das Geld, das durch den Wegfall des Betreuungsgeldes frei geworden ist, sollte für Flüchtlingsfamilien verwendet werden. Da geht es auch um Kinder und ihre Zukunft. Eine der beliebtesten Floskeln zur gegenwärtigen Völkerwanderung lautet: Man muss die Probleme in den Herkunftsländern der Flüchtlinge lösen. Schön gesagt. Aber wie soll das gehen, auf die Schnelle? Wir reden hier von Ländern wie Syrien, Irak, Mali, in Europa von Ländern wie Albanien. Es handelt sich um Staaten, in denen Bürgerkriege herrschen, die von korrupten Eliten ausgeplündert werden oder die ganz einfach arm sind. Man kann diese Probleme lösen. Die Zielländer der Flüchtlinge müssten einfach Millionen Soldaten in all diese Länder schicken, von denen in den folgenden Kämpfen Tausende sterben würden, sie müssten die Regierungen absetzen und die Eliten entmachten, anschließend müssten sie dort neokolonialistische Regime einsetzen, die mit harter Hand für Frieden und Reformen sorgen. In den europäischen Staaten würde es genügen, sie zu Protektoraten der EU zu machen, mit einem Sozialsystem, das von der EU finanziert wird. Diese Maßnahmen würden nicht zu paradiesischen Zuständen führen, aber doch zu besseren als heute. So ein Modell ist unmöglich durchzusetzen, es gäbe weltweit einen Sturm der Entrüstung. Besteht die Lösung also darin, unsere Grenzen zu öffnen und alle hineinzulassen? Das klingt sympathisch. Dieses Modell dürfte über kurz oder lang dazu führen, dass sich die Zustände in den Zielländern der Flüchtlinge den Zuständen in ihren Ursprungsländern annähern. Wäre damit irgend jemandem gedient?“, überlegt der Berliner Tagesspiegel.

Mit diesem Auszug endet die Presseschau.