„Früher waren Kneipen viel mehr Anlaufpunkt.“ – Frank Goosen im Interview
Er sitzt im Aufsichtsrat des VFL Bochum, schreibt lesenswerte Romane und steht abends auf der Bühne und erzählt lustige Geschichten über das Ruhrgebiet. Nicht einfach zu entscheiden, worüber man mit Frank Goosen spricht. Vor seinem Auftritt beim "RuhrHOCHdeutsch" spricht er mit reflekt über die Dreharbeiten zu einem neuen Film, das Ruhrgebiet und sein aktuelles Programm "Durst & Heimweh".
"2016 soll ein neuer Film in die Kinos kommen!"
Reflekt: Herr Goosen, Sie haben gerade beim Soundcheck erzählt, dass die Dreharbeiten zu ihrem Buch „Radio Heimat“ laufen. Was können Sie dazu verraten?
Frank Goosen: Ein Dortmunder Regisseur, Matthias Kutschmann, hat aus Kurzgeschichten meiner Bücher „Radio Heimat“ und „Mein Ich und Sein Leben“ ein Filmdrehbuch destilliert. Er hat sich die Geschichten rausgesucht, in denen ich über das Aufwachsen im Ruhrgebiet der 80er Jahre schreibe. Es wird also eine Coming of Age Komödie über das Ruhrgebiet der 80er, mit Rückblenden bis in die 60er, weil auch die Elterngeneration in kurzen Flashlights beleuchtet wird. Da laufen zur Zeit die Dreharbeiten und ich bin sehr gespannt. 2016 soll der Film ins Kino kommen.
"Jüngere Leute finden die alten Ruhrgebiets-Kneipen skurril."
Reflekt: Das passt gut, denn ich möchte mit Ihnen über Bochum sprechen. Die FAZ hat eine Multimedia-Reportage über die Stadt erstellt. Ein Thema natürlich: Kneipen. Beispielhaft wird dort das Haus Fey vorgestellt.
Goosen: Das kenne ich sehr gut.
Reflekt: Die Wirtin, Elfriede Fey, ist das eine typische „Omma“?
Goosen: Das weiß ich nicht, da muss man vielleicht ihre Enkelinnen fragen. Für mich ist sie auf jeden Fall so ne Wirtin, wie es sie heute sonst nicht mehr gibt. Das ist so richtig altes Ruhrgebiet. Elfriede Fey strahlt eine ruppige Herzlichkeit aus und deshalb wird ist sie mittlerweile eine Art Stellvertreterin dieser Sorte von Wirtinnen. Diese Art von Kneipen sterben aus, beziehungsweise jüngere Leute finden das eher skurril. Kneipen sind generell nicht mehr so Anlaufpunkt wie früher.
Reflekt: Dieses alte Ruhrgebiet, das sie auch in ihren Büchern beschreiben, stellt man sich genau so vor. Wieviel Verklärung steckt aber darin, wenn man das Ruhrgebiet begrenzt auf Kneipen, Fußball, Saufen?
Goosen: Klar, es ist immer ein Stück weit Verklärung dabei. Das ist aber normal, das ist in jedem Landstrich so. Jede lokale Identität fußt letztlich auf Klischees und wird dann unterschiedlich ausgelebt. Dieses ewige „Wir sind alles Fischer“ oben an der Nordsee kann einem genauso auf die Nerven gehen. Im Ruhrgebiet ist das noch relativ neu, dass man sich auf diese gemeinsame Identität der Bergbauvergangenheit so positiv bezieht. Ich habe den Eindruck, das ist eine Entwicklung der letzten 20, vielleicht 25 Jahre.
Reflekt: Wie kann die Ruhrgebietsidentität in Zukunft aussehen?
Goosen: Identität speist sich ja immer aus dem, was schon gewesen ist oder dem, was aktuell ist. Und eine Sache, die sich durch die Geschichte des Ruhrgebiets, vor allem die der letzten 200 Jahre zieht, ist diese permanente Veränderung, die das Ruhrgebiet erfahren hat: von eher agrarisch geprägter Struktur über die Schwerindustrie hin zu dem, was wir jetzt haben.
Die Leute hier mussten immer mit einem gewissen Witz versuchen, die großen Probleme, die es gab, irgendwie zu bewältigen. Und ich glaube dieser permanente Veränderungsdruck ist noch ein bisschen anders als in anderen Gegenden. Daraus sollte man eine Menge Kraft schöpfen für eine eigene Identität.
"Ich erzähle komische Geschichten über das, was Leute machen."
Reflekt: Lassen Sie uns über das Programm sprechen. Es heißt „Durst und Heimweh“ – worum geht es?
Goosen: Eigentlich ist das vor allem eine Zusammenstellung von Reisegeschichten. Ich brauche immer ein Thema. Ich bin ja kein politischer Kabarettist, ich ziehe meine Themen nicht aus der Tagesaktualität, sondern ich erzähle komische Geschichten über das, was Leute machen. Ich bin beruflich viel unterwegs und war in meinem Leben viel unterwegs, da sind natürlich viele lustige Dinge passiert und manches habe ich mir zusätzlich einfallen lassen.
Reflekt: Die Geschichten in Ihren Büchern handeln dabei oft auch von der Vergangenheit. Ist das im Programm auch zu erwarten?
Goosen: Ja, aber das hat bei mir eher handwerkliche Gründe. Ich muss ja immer irgendeinen Bogen schlagen. In diesem Programm heißt das eben von der Kindheit in die Jetztzeit. Ich gucke mir an, wie ich in den ganzen Jahren, seitdem ich Kind war, verreist bin.
Die ersten Reisen machst du mit den Eltern, da bist du total abhängig. Dann bist du mal auf Klassenfahrt, da sieht das schon ein bisschen anders aus. Aber du bist immer noch unter Beobachtung. Dann kommen die ersten Fahrten mit den Kumpels. ich hab eine Interrail-Tour gemacht Anfang der 80er, dazu gibt es eine Geschichte. Dann der erste Beziehungsurlaub – also nicht Urlaub von der Beziehung, sondern mit der Beziehung. Und am Ende eben der Familienurlaub 2.0 – früher als Opfer, heute als Täter, also als Vater und Fahrer. So schließt sich der Kreis.
Reflekt: Herr Goosen, vielen Dank für das Gespräch!